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Anleihen zur Kriegsfinanzierung

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Kriegsanleihen waren neben den Kriegskrediten ein wesentliches Mittel zur Finanzierung der Kriegsausgaben im Deutschen Reich.

In einem halbjährlichen Rhythmus wurden insgesamt neun Kriegsanleihen herausgebracht, die für eine Gesamtsumme von 97 Milliarden Mark gezeichnet wurden. Die Käufer der Kriegsanleihen kamen dabei aus allen gesellschaftlichen Schichten. Sie liehen dem deutschen Staat ihr Geld, um den Krieg fortzusetzen, sowohl aus patriotischer Gefühlen als auch gelockt durch attraktive Zinssätze, und in jedem Fall ermutigt durch ihr Vertrauen in einen deutschen Sieg.

 

Es war vorgesehen, die Rückzahlung der Anleihen nach dem deutschen Sieg durch Reparationenszahlungen der besiegten Länder zu finanzieren. So wurden mit der deutschen Niederlage von 1918 Millionen Deutsche schließlich um ihr Erspartes gebracht.

 

Die Kriegsanleihen wurden von regelrechten Werbekampagnen begleitet, die sich auf Zeitungsinserate, Plakate, Postkarten, Kundgebungen usw. stützten.

Werbeplakat Kriegsanleihe.jpg

Werbeplakat von Fritz Erler, 1917.

(Quelle: Bibliothek für Zeitgeschichte, 2.5/5)

stadtarchiv-bielefeld-kriegsanleihe-sparkasse_edited.jpg

 Werbeplakat von Louis Oppenheim, 1918. (Quelle: Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400.9/Plakate, Nr. 3090).

Zeitungsannonce Kriegsanleihe Du gibst dein Geld.jpg

Lippische Post, 13.10.1917

Propaganda in der Lokalpresse

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Auch in der Lippischen Post wurden die Kriegsanleihen beworben. Häufig verglich man die Zeichnung der Kriegsanleihen mit einer "Schlacht", die an der Heimatfront geschlagen werde und die die Feinde bezwingen solle. So äußerte sich die Lippische Post am 11. März 1916 zur 4. Kriegsanleihe:

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„Die 4. Kriegsanleihe soll den Feind schlagen und ihm die letzte Säule seiner Hoffnung zertrümmern. Eine Riesengeldschlacht gilt es für uns Daheimgebliebenen zu schlagen und einen Riesensieg zu gewinnen, der wie wuchtiger Keulenschlag dem Feinde auch den letzten Halt zerschmettert, ihn aus seinen Lügen reißt und ihn die harte Wirklichkeit begreifen läßt: Unbezwingbar ist Deutschland."

Zeitungsannonce Kriegsanleihe Im Zeichen Hindenburgs.jpg

Lippische Post, 09.09.1916

Zeitungsannonce Die Kriegsanleihe ist die Saat.jpg

 Lippische Post, 29.09.1917.

Kundgebungen für Kriegsanleihen

 

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Auch öffentliche Veranstaltungen wurden zugunsten der Zeichnung von Kriegsanleihen organisiert. Das nebenstehende Foto des Lemgoer Marktplatzes, aufgenommen in Richtung Ballhaus, zeigt ein solches Ereignis. Das Datum ist ungewiss, es gibt aber in der Lippischen Post vom 16. April 1918 einen Bericht über eine „vaterländische Kundgebung“, die sowohl von der räumlichen als auch von der inhaltlichen Konfiguration her zu diesem Foto passen könnte:


"Gegen 1/2 12 Uhr versammelten sich viele Bürger Lemgos und auch aus der Umgebung auf dem Marktplatze, um an diesem für jeden Deutschen bedeutungsvollen Nationaltage da nicht zu fehlen, wo alles sich versammelte, um der Werbung für unsere große Heimatschlacht beizuwohnen. [...] Der Redner des Tages, Herr Kaiserlicher Bankvorstand Nahrstedt, hielt sodann von der Ballhaustreppe herab an die Erschienenen eine packende, ihrem fachlichen Inhalte nach bemerkenswerte, in glänzender Weise vorgetragene Rede über die heimlichen Kriegsziele unserer Feinde."

Öffentliche Veranstaltung Kriegsanleihe .jpg

Öffentliche Demonstration in Lemgo zugunsten der Kriegsanleihe.

(Quelle: Stadtarchiv Lemgo, N1)

Werbekarte für die 9. Kriegsanleihe.jpg

Werbe-Postkarte, 1917 (Quelle: Bundesarchiv Koblenz, R 2501/398)

Auch Schulkinder zeichnen Kriegsanleihen

Es scheint jedoch, dass es die meiste Zeit die Lehrer waren, die sich um die Organisation des Abonnements für ihre Klassen und ihre Schüler kümmerten. Inwieweit genau die Schüler aus eigener Initiative bzw. auf Druck ihrer Lehrer gehandelt haben, ist schwer zu sagen. Aber man kann davon ausgehen, dass patriotischer Eifer sicherlich eine wichtige Rolle gespielt haben wird.

 

Nicht nur die Erwachsenen sollten ihr Erspartes für Kriegsanleihen verwenden, auch die Kinder in den Schulen wurden systematisch zum Kauf der Kriegsanleihen angehalten. 

In einem diesbezüglichen Zeitungsartikel in der Lippischen Post vom 11. März 1916 wird die Beteiligung der Schulen bei den Kriegsanleihen bedeutsam genannt und die Lehrer dazu angehalten, verstärkt  für diese patriotische Angelegenheit zu werben. Um die Klein- bzw. Kleinstbeiträge der Schüler einfacher handhaben zu können, gab die Sparkasse Lemgo kleingestückelte Anteilscheine heraus, die dann zusammengelegt gegen eine Kriegs- oder Reichsanleihe eingetauscht werden können. Die Anteilscheine sollten den Schülern selbst ausgehändigt werden. Die Lehrer scheinen aber häufig selbst die Organisation der Anleihezeichnung für ihre Klassen und Schüler übernommen zu haben. Inwieweit die Schüler tatsächlich aus eigenem Antrieb handelten oder eher auf Druck ihrer Lehrer, lässt sich nicht abschließend beurteilen. Der patriotische Eifer wird aber auch hier sicherlich eine wichtige Rolle als Motivator gespielt haben.

In seiner Schulchronik von Sankt Johann berichtet der Lehrer Knappmeier über das Engagement seiner Schüler für die 4. Kriegsanleihe:

 

"An der 4. Kriegsanleihe hat sich auch unsere Schule mit Eifer beteiligt. Die Schüler haben von Haus zu Haus Aufrufe und Zeichnungsformulare getragen u. sich selbst durch Zeichnungen von 5 M, 10,-, 20,- bis 100 beteiligt. Insgesamt sind 1560 M gezeichnet worden. Mit freudiger Dankbarkeit wurde darum der Erlaß Seiner Durchlaucht des Fürsten vom Ausfall des Unterrichts am 31.3. begrüßt ".

 

(Stadtarchiv Lemgo, T 3/14, S. 30)


Ebenso wurde die Zeichnung der 5. Kriegsanleihe von 1916 auch an der Schule St. Johann als Erfolg bezeichnet:

 

"Am 5. Oktober war der Schlußtag der 5. Kriegsanleihe, die den Betrag von 10,6 Milliarden brachte. Lehrer und Schüler der hiesigen haben 1995 Mark beigesteuert."

 

(Stadtarchiv Lemgo, T 3/14, S. 32).

Kriegsanleihen zeichnen oder nicht? Karoline Ohle vor einer patriotischen Frage

 


Der moralische und soziale Druck, Kriegsanleihen zu zeichnen, wog vermutlich schwer. Auch in der Lemgoer Fotografenfamilie Ohle sind die Anleihen ein Thema. Karoline (Lina) Ohle schreibt ihrem an der Westfront eingesetzten Mann am 4. März 1916:

 

"Wie ist es mit der Kriegsanleihe? Ich muß doch wohl noch zeichnen, das ist doch nicht mehr wie recht, das wir dadurch unserm Vaterlande dienen. Wie furchtbar schwer müssen im Westen doch die Kämpfe sein. Gott der Herr sei mit uns. Er helfe mit streiten u. gebe uns bald den Frieden".

 

Drei Tage später (7. März 1916) stellte sie die Frage erneut. Hatte ihr Mann skeptisch reagiert? Oder eloquent geschwiegen?

 

"Soll ich wirklich keine Kriegsanleihe mehr zeichnen? Wir können doch unser Geld wirklich nirgends besser unterbringen. Und sollten wir wirklich verlieren was wir ja doch nicht hoffen. dann sind wir unser Geld auch sowie so los was in den Kassen steht. Vielleicht zeichnen wir noch 3 Was meinst du? Der liebe Gott giebt uns doch wohl bald den ersehnten Frieden [...]. Schreib doch wegen der Kriegsanleihe. Mutter kann auch noch 3000 zeichnen. Krull will ihr das Geld auszahlen der Rest bleibt dann noch stehen. Es ist doch unsere heilige Pflicht dass wir dadurch unsere Feinde auch schlagen".

 

Da Fritz Ohles Briefe an seine Frau nicht erhalten sind, kann man nur vermuten, dass seine Glaube an einen Sieg nicht mehr so unerschütterlich war, dass er seine Frau zum Kauf von Kriegsanleihen ermutigen würde.

 

(Quelle: Stadtarchiv Lemgo, NL 67/181)

Fritz und Karoline Ohle.jpg

Karoline und Fritz Ohle während des Krieges. (Quelle: Sammlung Hartmut Walter, Lemgo)

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