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Schreiben des Schulvorstandes der Bürgerschule Lemgo an den Magistrat, 23.9.1914, erste Seite (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, LA 2256 186).

Eine Unteroffiziersschule in Lemgo?

 

 

Zu Beginn des Krieges beauftragte die Regierung des Fürstentums Lippe die Stadt Lemgo, ein geeignetes Gebäude für die Unterbringung einer Unteroffiziersschule zu finden. Daraufhin wandte sich der Schulvorstand der Bürgerschule Lemgo an den Magistrat, mit dem Vorschlag, eines ihrer beiden Schulgebäude (in der Echternstraße) für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen:

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„Wir bringen ja allerdings eine große Zahl von Klassen und Kindern in einem Schulhause und auf einem Schulhofe zusammen, aber der Zustand ist ja nur vorübergehend, und dann handelt es sich einmal um das deutsche Vaterland, und zum andern gewinnen wir vielleicht für unsere Vaterstadt die Unteroffizierschule als dauernde Einrichtung; denn wir glauben auch, annehmen zu dürfen, daß Militärbehörde und Regierung der Stadt die Schule auch nach dem Kriege lassen werden. Wir bitten nun fürstliches Konsistorium, unserem gefasten Beschlusse beizutreten und die geplante Einrichtung gutzuheißen zum Segen des Vaterlandes und der Stadt Lemgo".

 

(Stadtarchiv Lemgo, LA 2256 186r - 187v).

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Doch die Hoffnung der Lehrer auf eine längerfristige Ansiedelung einer Unteroffiziers-schule in Lemgo erfüllte sich nicht. Schon in der Stadtverordnetenversammlung vom 26.10.1914 (vgl. Stadtarchiv Lemgo, A 503) wurde vermerkt, dass die Unteroffiziersschule endgültig nach Münster kommen würde.

Lemgo wird Garnisonsstadt

 

 

Nach der Enttäuschung im Falle der Unteroffizierschule bildete man in Lemgo eine Kommission aus Stadtverordneten und dem Magistrat, die sich um eine Stationierung von Armee-Einheiten in Lemgo bemühen sollte.


Im Dezember 1914 wurde Lemgo schließlich Standort des II. Ersatz-Bataillons Infanterie Regiment 67 (kurz: IR II/67). Das Bataillon bestand aus 4 Kompagnien und einer später aufgestellten Verwundeten-Kompagnie. Die ersten Soldaten trafen im Dezember 1914 ein, und im April 1915 hatte die Lemgoer Garnison dann insgesamt 1878 Soldaten. (Quellen: Stadtarchiv Lemgo, S 462: Standortchronik der Heeresstandortverwaltung Lemgo).

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In der Zeitung wird die bevorstehende Ankunft der "so lang ersehnten" Soldaten in Lemgo angekündigt.  Lippische Post, 11.03.1914.

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Gebäude der Bürgerschule, Echternstraße 126, im Krieg zur Kaserne umfunktioniert. Im Vordergrund Soldaten. Im Hintergrund, in Weiß gekleidet, wohl Rekruten. Undatiert (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, N 1/4164).

Die Frage der Einquartierung

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Vor dem Eintreffen der Soldaten in Lemgo stellte man sich die (heikle) Frage ihrer Unterbringung. So ging Bürgermeister Höland während der Stadtverordnetenversammlung vom 30.11.1914 in einer längeren Rede auf die bevorstehende Militärstationierung ein und forderte die Bürger auf, größtes Entgegenkommen bei der Einquartierung zu zeigen, damit Lemgo in Zukunft dauerhaft Garnisonsstadt werden könne. (Quelle: Stadtarchiv Lemgo , A 503).

 

Am selben Tag schlug die Lehrerschaft der Bürgerschule in einer Schulvorstandssitzung erneut vor, zumindest einen Teil der Soldaten im Schulgebäude  in der Echternstraße 126 unterzubringen. Die Lehrer erklärten, dies sei "[...]im Interesse des Vaterlandes und der Bürgerschaft, die damit von der Einquartierung befreit werden würde". (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, A 2256, 188r und 189r).

 

Offensichtlich reichten die Kapazitäten des Schulgebäudes in der Echternstraße jedoch nicht aus, um alle Militäreinheiten unterzubringen, wie es sich die Lehrerschaft erhofft hatte. Es war daher nötig, die Soldaten auch in anderen öffentlichen Gebäuden und in Privatquartieren unterzubringen, wie dies bereits in früheren Jahrhunderten geschehen war, wenn Soldaten nach Lemgo verlegt wurden.

Die Armee zieht in die Stadt ein

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Der Kommandant des Reservebataillons IR II/67 wurde in den Räumlichkeiten der städtischen Berufs- und Weiterbildungsschule untergebracht, während der Offiziersstab, die Zahlmeisterei und die Bekleidungskammer im sogenannten Waisenhaus, einem anderen Gebäude der Bürgerschule Platz fanden. Die Hauptwache des Bataillons hatte ihren Sitz im Ballhaus am Marktplatz. In der ehemaligen Töchterschule sollen sich Arrestzellen befunden haben. Das Bürgerschulgebäude in der Echternstraße wurde zu einer Kaserne und Kantine (für Soldaten und Rekruten) umfunktioniert und die Küche befand sich in einem Nebengebäude. Die Offiziere nahmen ihre Mahlzeiten gemeinsam im Hotel Losch (Mittelstraße 54) ein. Die Verwundetenkompanie wurde im Schützenhaus untergebracht. Der Schützenplatz diente als Exerzierplatz und der Biesterberg wurde für Geländeübungen genutzt. Das Bataillon pachtete etwa 22 ha Ackerland, das von den Soldaten in Eigenregie bewirtschaftet wurde.

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Garnisonsküche in einem Nebengebäude der Bürgerschule in der Echternstraße 126. Undatiert. (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, Fotosammlungen, Bartelsmeier-Album).

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Das Innere der Lemgoer Garnisonsküche. Nebengebäude der Bürgerschule in der Echternstraße 126. Undatiert (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, Fotosammlungen, Bartelsmeier-Album).

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Soldaten auf dem Kohlfeld, 1916 (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, Fotosammlung Bartelsmeier).

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Soldaten und Offiziere vor dem Eingang des Garnisonskommandos Lemgo, in den Räumlichkeiten der städtischen Berufs- und Weiterbildungsschule (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, N 1/4163).

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Hauptwache des Reservebataillons IR II/67 vor ihrem Hauptquartier im Ballhaus, Marktplatz. Undatiert. (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, Fotosammlung).

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Offiziere vor dem Restaurant des Hotels Losch, Mittelstraße. Undatiert (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, Fotosammlungen, Bartelsmeier-Album).

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Das Schützenhaus, in dem sich die Verwundeten-Kompanie niederließ. Undatiert (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, Bestandsgruppe Sammlungen Bild und AV-Medien).

Die Wehrpflichtigen üben für den Krieg

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Der Aufenthalt in der Garnison Lemgo diente dazu, aus den mobilisierten Zivilisten Soldaten zu machen. Sie lernten, zu marschieren, mit Gewehren und Bajonetten umzugehen, Befehlen zu gehorchen und sich in die militärische Hierarchie einzuordnen. Nach einer mehrwöchigen Ausbildung wurden sie vereidigt und als Soldaten an die Front geschickt.

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Vereidigung von Rekruten aus Lage und Lemgo auf dem Marktplatz von Lemgo, 1915 (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, N1/4420).

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Vereidigung von Rekruten auf dem Marktplatz von Lemgo, undatiert (Quelle: Stadtarchiv Lemgo).

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Ansprache des Kommandanten an die Truppen vor ihrem Aufbruch an die Front, Marktplatz Lemgo, 1915 (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, S 462, S. 67).

Brief von Lina Ohle an ihren Mann Fritz Ohle, 11.10.1915:

 

"Heute sind hier über 500 Mann ausgerückt, erst mal hinter die Front,  11 Wochen sind sie jetzt ausgebildet. Kuhlmann aus Luhe ist auch mit ausgerückt. Wilhelm Gerbdering ist in die Vogesen gekommen, hoffentlich kommt er gesund zurück."

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(Quelle: Stadtarchiv Lemgo, Ohle-Fonds).

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Feldübung im Schützengraben für die Rekruten des Ersatz-Bataillons IR II/67. Undatiert. (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, Fonds Ohle, Depositum Alt Lemgo/Mische, GPK 447).

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Feldübung im Schützengraben für Rekruten des Ersatz-Bataillons IR II/67, möglicherweise in der Nähe des heutigen Staff-Landschaftsparks in Lemgo. Undatiert. (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, Fonds Ohle, Depositum Alt Lemgo/Mische, GPK 448).

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Vereidigung von Rekruten auf dem Marktplatz von Lemgo, undatiert (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, Fotosammlung).

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Abmarsch der Truppen an die Front. Breitestraße `` in Lemgo. Undatiert (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, N1/D/148).

Das Soldatenheim

 

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Wie überall im Deutschen Reich wurde auch in Lemgo ein Soldatenheim eingerichtet, das unter der Trägerschaft des Vaterländischen Frauenvereins Ortsgruppe Lemgo stand. Nach dem Jahresbericht des Vereins für das Jahr 1915 wurde Ende Februar 1915 ein solches Heim zunächst im Haus Rampendal 26 eingerichtet und dann ab dem 1. Dezember 1915 im Haus Mittelstraße 116/118 (Manufakturwarenhandlung David Netheim), wo man großzügigere Räumlichkeiten vorfand.

 

Im Soldatenheim konnten die Soldaten ihre Freizeit verbringen. Möbel, Zeitungen, Klavier, Ziehharmonika und Spiele standen zur Verfügung. Die Öffnungszeiten beschränkten sich zunächst auf den Sonntag zwischen 13.30 und 21.00 Uhr. Ab August 1915 wurde das Heim auf Wunsch der Garnisonsverwaltung täglich geöffnet. Gegen Geld konnte man Zigarren, Feldpostkarten und Essen erhalten. Die Verpflegung verbesserte sich allmählich: zu Beginn gab es nur Kaffee, dann Backwerk und durch die Unterstützung der LWG später auch Brötchen mit Butter und als diese nicht mehr zu bekommen war, mit Marmelade bestrichen. Abends wurden schließlich Suppe mit Brötchen, Kartoffelgerichte und Salate angeboten. Im Sommer 1916 bekamen diejenigen Soldaten, die auf dem vom Bataillon gepachteten Acker arbeiteten, ihre Abendessen im Heim umsonst. Bedürftige Soldaten, die von Hause aus keine Unterstützung erhielten, konnten abends im Heim ebenfalls umsonst essen.


Mit der Auflösung des Ersatzbataillons in Lemgo zum 31.12.1917 war auch die Zeit für das Soldatenheim vorbei. Die Räumlichkeiten in der Mittelstraße wurden noch bis zum 1. April 1918 als Wärme- und Lesehalle weitergeführt; die Vorräte zu Gunsten der Vereinskasse des Vaterländischen Frauenvereins verkauft.

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Aufruf zu Bücherspenden für das Soldatenheim, 1915 (Lippische Post, 20.12.1915).

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Weihnachtsfeier des Reservebataillons IR II/67 im Schützenhaus mit "Liebesgaben" auf den Tischen. 1914? (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, N1/4172)

Freundliche Aufnahme der Soldaten in Lemgo

 

Nach Angaben der lokalen Presse wurden die Soldaten der Garnison Lemgo von den Behörden und den Einwohnern der Stadt überaus herzlich aufgenommen. Und die Soldaten zeigten sich ihrerseits dankbar für Lebensmittelspenden, Weihnachtsgeschenke oder Entgegenkommen bei der Einquartierung...

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Spendenaufruf an die Mitglieder der Lemgoer Krichengemeinden, für Butterbrote zur Verpflegung von 880 Garnisonssoldaten zum Kaisergeburtstag, Lippische Post, 30.01.1915.

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 Spende von Butterbroten aus den Lemgoer Kirchengemeinden für die Soldaten zur Kaisergeburtstagsfeier, Lippische Post, 01.02.1915.

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 Danksagung eines ehemals in Lemgo stationierten Musketiers an den Bürgermeister, Lippische Post, 14.01.1918.

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Danksagung des Garnisonsältesten an die Lemgoer, Lippische Post, 01.02.1915.

Das Ende der Garnison in Lemgo

 

 

Obwohl die militärische Präsenz in Lemgo nur als Provisorium gedacht war, gab man in der Stadt die Hoffnung auf eine dauerhafte Garnison offensichtlich nicht auf. In der Stadtverordnetenversammlung vom 16. Juni 1915 stellte der Stadtverordnetenvorsteher den Antrag, der Magistrat solle über diese Frage mit dem Preußischen Kriegsministerium verhandeln. Das Ergebnis muss jedoch negativ gewesen sein, denn am 23. November 1917 teilte der Bürgermeister, inzwischen Franz Möller, den Stadtverordneten mit, dass das Bataillon aufgelöst werden würde. Seine Bemühungen um den Erhalt des Garnisonsstandortes seien vergeblich gewesen.

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Ende 1917 wurden die letzten Soldaten der Garnison aus Lemgo abgezogen. In einem Artikel vom 01.02.1918 berichtet die Lippische Post von der Abschiedszeremonie und zitiert die Rede des Kommandanten, in der er die besonders guten Beziehungen zur Stadt und ihren Bürgern betont.

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Anlässlich des Abzugs der Soldaten wurde ein Denkmal zur Erinnerung an das Bataillon von Lemgo errichtet. Es bestand aus vier Findlingsblöcken, die vom ehemaligen Exerzierplatz am Biesterberg heruntergebracht worden sein sollen. Auf einem der Blöcke ist das Eiserne Kreuz mit der Nummer des Bataillons eingraviert.

 

Erst 1936, im Rahmen der Wiederaufrüstung Deutschlands durch die Nationalsozialisten, wurden wieder Streitkräfte in Lemgo stationiert (Artillerie Beobachtungsabteilung B 6 der Reichswehr). Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen schließlich britische Besatzungstruppen nach Lemgo und blieben dort bis 1993.

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Auszug des Reservebataillons IR II/67 aus Lemgo, auf der Straße nach Herford, 1917 (Stadtarchiv Lemgo, N 1/4423).

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Einweihung des Denkmals zur Erinnerung an das von 1914 bis 1917 in Lemgo stationierte Reservebataillon RI II/67. 1917 oder 1918 (Quelle: Stadtarchiv Lemgo, Bestandsgruppe Sammlungen Bild und AV-Medien).

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